Alois Mock Institut diskutiert Zukunft Europas

Diskutanten sind sich einig: Wir brauchen ein Europa der Regionen

Die siebente Diskussionsveranstaltung des Alois Mock Instituts aus der Reihe Trends 20.30  widmete sich der Zukunft Europas. Unter dem Titel „Europa neu denken. Die EU als Drehscheibe der Regionen.“ im Kolomanisaal des Stiftes Melk diskutierten der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Mag. Othmar Karas, der  Romancier und Essayist Dr. Robert Menasse, sowie der Präsident des Instituts LH-Stv. Mag. Wolfgang Sobotka. Inputreferate hielten Josef Wallenberger, Geschäftsführer der Wallenberger & Linhard Regionalberatung, Mag. Petra Patzelt, Geschäftsführerin der NÖ Gründeragentur und Judith Obermair, Studentin der IMC FH Krems. Moderiert wurde der Abend von der Schauspielerin und ehemaligen EU-Parlamentarierin Mercedes Echerer. „Ich habe erst lernen müssen, dass man Kritik an Europa präzisieren muss, um nicht eine generelle Abneigung zu vermitteln. Ich möchte kein Europakritiker sein und auch kein glühender Europäer – ich möchte ein kritischer Europäer sein. Aus mehr Wissen entsteht eine bessere Kritik somit entwickelt sich aus Verdrossenheit auch eine positive Form der Begeisterung. Klar ist, ohne Europa können wir unsere brennendsten Probleme nicht lösen. Österreich kann einen Konzern wie Microsoft nicht in die Schranken weisen oder ökologische Entwicklungen steuern – das kann nur Europa, dafür brauchen wir Europa“, erklärt Robert Menasse.  „Ich sehe zwei Gründe für EU-Kritik. Europa hat gerade im Finanz-Bereich zu wenig eigene Regulative. Entwicklungen werden nicht mehr berechenbar bzw. durch die Politik steuerbar, daraus entsteht Europa-Verdrossenheit und Politik-Verdrossenheit. Der zweite Grund sind nationale Strömungen. Das Gute an Europa heften sich Nationalstaaten auf ihre Fahnen, das Schlechte an Europa wird nach Brüssel delegiert. Den besten Umgang mit Europa haben die Regionen. Nur ein Europa der Regionen schafft gemeinsame europäische Identität und bewahrt die unmittelbare Verbundenheit zur eigenen Heimat“, betont Wolfgang Sobotka. „Europa ist in 100 bzw. 1.300 Regionen unterteilt – je nach Definition. Klar ist, dass ein bottom-up Partizipationsprozess, also eine breite Bürgerbeteiligung nur in der Region handhabbar bleibt. Wenn Europa Rahmen vorgibt und sich die Regionen ihr Bild selbst zeichnen und dabei die Bürgerinnen und Bürger miteinbeziehen, dann nimmt auch die Abneigung gegenüber unverständlichen EU-Richtlinien ab. Wir haben derzeit noch ein Problem überbordender Regelungen aber die Grundausrichtung mehr Verantwortung den Regionen zu übertragen ist in jedem Fall die richtige“, so Josef Wallenberger. „Jede nationale Grenze in Europa ist künstlich, durch Kriege herbei geführt, durch Erbschaften und der gleichen. Aber eine regionale Grenze ist natürlich, sie ist bestimmt durch Identität. 80% aller problematischen Richtlinien stammen von Nationalstaaten. Auch die bekannte Glühbirnen-Verordnung kommt von den Nationalstaaten. Wir haben seit 2005 über 5.000 EU-Bestimmungen wieder gestrichen. Aber: Jede EU-Aktion muss eine nationale Reaktion nach sich ziehen. Wenn zu ein und demselben Punkt zwei Bestimmungen bestehen, dann wird das System unnötig kompliziert. Wichtig ist auch: Wir erwirtschaften mittlerweile das 4-fache unseres EU-Nettobeitrages durch Vorteile die aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit entstanden sind. Europa bringt uns also rein rechnerisch viel mehr als es uns kostet“, so Othmar Karas. „Ich bin Südtirolerin, aus einer Generation, die spürt, wie vieles durch Europa besser geworden ist und die gleichzeitig nicht mehr weiß, um wie viel es vor der EU schlechter gewesen ist. Vieles erkennt man erst aus dem Vergleich, aus Auslandssemestern und Reisen. Unsere vier großen Freiheiten in Europa, der freie Personenverkehr, der freie Warenverkehr, der freie Dienstleistungsverkehr und der freie Kapitalverkehr sowie das Friedensprojekt als Ganzes sind weltweit betrachtet keine Selbstverständlichkeit“, betont Judith Obermair. „Ein wesentlicher Faktor des Friedens ist Wohlstand. Die Grundlage dafür sind Wirtschaft und Arbeit. Einerseits stehen wir in Europa zueinander, was die großen Herausforderungen betrifft andererseits stehen wir untereinander im Wettbewerb. Europa fordert von allen Mitgliedern Anstrengungen in den zentralen Bereichen der Wirtschaft: Innovationen, Preis und Qualität. Europa ist also nicht nur eine Einladung sondern auch eine Aufforderung. Nicht nur ein Friedensprojekt sondern auch ein Fortschrittsprojekt“, so Patzelt.